Manchmal sieht man ja den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Das Problem, daß im Hausbrauerbier bisweilen mal - warum im Einzelfall auch immer - Bakterien den Kampf um die Langzeitnutzung der Inhaltsstoffe gewinnen, kennt wahrscheinlich jeder, der etwas öfter braut. Darüber, daß das ärgerlich ist (es sei denn, man hat Berliner Weiße, Gose etc. angesetzt, wo es dann wiederum meist nicht sauer genug werden kann), besteht vermutlich weitgehend Einigkeit. Aus eigener Erfahrung und Miterleben kannte ich bisher folgende Wege, damit umzugehen:
- "Ich schmeck da nix!"
- "Egal, ist gesund, runter damit."
- Verschneiden mit anderem Bier, je nach Säuregrad.
- Limonade dazu und an heißen Tagen trinken.
- Essig draus machen (wenn's nicht gerade extrem bittere Milchsäurebakterien sind).
- Wegschütten.
Daß Suhrbier nicht gesundheitsgefährlich ist, ist also bekannt; daß es nur wenigen schmeckt, auch.
Heute ist mir - angeregt durch einen der typischen "Reinheitsgebot ist supi"-Fernsehschmarrnbeiträge - aufgefallen, daß zumindest ich bei dem Thema bisher den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen habe. In diesem Beitrag sprachen sie (natürlich mit entsprechendem Duktus) davon, daß früher "so schauerliche Zutaten wie Kreide, um saures Bier zu vertuschen" verwendet worden seien. Und, woraus besteht Kreide (wenn sie nicht synthetisch ist)? Aus Kalk oder Gips. Ersteres ist Calciumcarbonat, letzteres Calciumsulfat. Beides verwenden wir beim Brauen sowieso (je nach Ziel und Brauer) ganz legal, und zwar zur Wasseraufhärtung/aufsalzung. Wenn auch dort mit anderen Zielen.
Geführt werden beide Stoffe unter den E-Nummern E170 bzw. E516. Es sind Mineralsalze. E516 (Kreide) gehört zur Gruppe der... Säureregulatoren. Wenn man in diesen Teil der Liste der E-Zusatzstoffe schaut, findet man direkt an erster Stelle noch etwas anderes, und zwar E500 - Natriumhydrogencarbonat, umgangssprachlich: Natron. In welcher Rolle ist dieses Zeug populär geworden, ehe "Talcid" und "Riopan" erfunden wurden? Als Mittel gegen Sodbrennen. Natron und Magensäure reagiert zu Salz und Rülps (=Kohlendioxid).
Lang zu kurz: Da ich hier gerade ein halbes Faß "Unfall"- bzw. "Umfall"-Bier stehen habe, das jedoch eigentlich mal gut schmeckte, habe ich es einfach ausprobiert. Gezapft, eine wirklich kleine Prise ("Messerspitze") Natron rein, kaum gerührt - das Zeug schmeckt wie am ersten Tag.
Natürlich weiß ich nicht, ob das bei allen Sorten so gut funktioniert wie bei diesem Dortmunder - da seid ihr dann mal gefragt. Auch mag jetzt mancher über "Chemie im Bier" diskutieren wollen (meinetwegen) oder über "lieber gleich sauber arbeiten" usw. (das bitte in einem separaten Faden in einer anderen Gruppe!).
Für mich steht jedenfalls fest: Lieber ein Hausbrauerbier aus anständigen Zutaten mit etwas "Chemie" als... naja, ihr versteht.
Macht was draus!
Ich bin also. Braue ich?