Warum sich die Hefe im Wyeast-Beutel nicht vermehrt

Hallo Matthias,

das Ergebnis hab ich schon am Anfang erwähnt: weil in einem Wyeast-Beutel zu wenig Sauerstoff enthalten ist, macht die Hefe, wenn man sie startet, zu 99% anaeroben Stoffwechsel, d.h. sie produziert Alkohol anstatt sich zu vermehren. Die Vermehrung erfolgt ausschliesslich über den aeroben Stoffwechsel, hier wird sehr viel Sauerstoff benötigt, es entsteht kein Alkohol sondern Wasser und Kohlendioxid.

In meiner Rechnung bin ich wie folgt vorgegangen:

Erstmals hab ich mir überlegt wieviel CO2 überhaupt enstehen kann (ausgehend von der prallen Beutelgrösse ca. 0.6L). Dann hab ich mir überlegt, wie viel Sauerstoff dazu nötig wäre diese Menge CO2 mit dem aeroben Stoffwechsel zu erzeugen (0.8g oder 0.6Liter O2). Dann hab ich mir überlegt, wie viel Sauerstoff in so einem Wyeast-Beutel etwa enthalten sein kann (der Beutel ist ja anfangs ganz flach, ich hab angenommen etwa 10ml O2). Diese Menge Sauerstoff reicht gerade mal um 12mg Zucker aerob zu verstoffechseln, weil das zu einer sehr kleinen Menge CO2 führt, der Beutel aber am Ende prall gefüllt ist, muss der Rest CO2 vom anaeroben Stoffwechsel stammen. Im anaeroben Stoffwechsel kann sich die Hefe aber nicht vermehren, was bedeutet, dass sich die Hefe im Wyeast-Beutel praktisch nicht vermehrt, sie wird nur aktiviert, d.h. gewöhnt sich wieder an die Würzelösung. Es entstehen also keine neuen Hefezellen, es sei denn, Wyeast hat irgendeine Substanz beigemischt, die den Sauerstoff bindet und ihn der Hefe zur Verfügung stellt, das bezweifle ich allerdings.

Ich hoffe jetzt ist es klarer.

Was nebenbei auch noch interessant ist: Für 1L Hefestarter mit 10°P braucht man ca. 250 Liter Luft damit sich die Hefe optimal vermehrt!

Grüsse Tom

Hallo Sven,

Zitat:

Kleine Korrektur nur: Die Hefe vermehrt sich durchaus auch anaerob, allerdings (wie jeder beim Umstellen auf eine Aquarienpumpenstarterbelueftung feststellen kann) sehr viel langsamer als mit Sauerstoff.

bist Du sicher dass sich die Hefe auch anaerob vermehrt? Auch wenn man nicht belüftet vermehrt sich die Hefe aerob wenn man sie in einem offenen Gefäss hat, weil ja durchaus Sauerstoff vorhanden ist.

Zitat:

Zitat:

mit 10°P braucht man ca. 250 Liter Luft damit sich die Hefe optimal vermehrt!

250l Luft, deren Sauerstoffanteil zu 100% in Loesung uebergeht?

Exakt! Beim Belüften braucht man natürlich viel mehr, da der grösste Anteil vom Sauerstoff gar nicht gelöst wird sondern gleich wieder nach oben perlt. Sehr gute Resultate kriegt man auch mit konstantem starkem Rühren hin.

Grüsse Tom

Hallo Tom, Hallo Jockel,

Zitat:

bist Du sicher dass sich die Hefe auch anaerob vermehrt? Auch wenn man nicht belüftet vermehrt sich die Hefe aerob wenn man sie in einem offenen Gefäss hat, weil ja durchaus Sauerstoff vorhanden ist.

aber in einem Gefäß mit Gärverschluß befindet sich nur der "Initialsauerstoff", der, wie du ja selbst errechnet hast, quantitativ keine Rolle spielt. Zudem arbeiten sowieso immer ein Teil der Hefezellen aerob und ein Teil anaerob - in stark unterschiedlichen Anteilen natürlich.

Ich bin selbst nicht vom Fach, daher zitiere ich mal aus dem Narziß (Abschnitt 3.1.4 "Die Vermehrung der Hefe"):
"Sauerstoff ist zwar für die Vermehrung der Hefe nicht unbedingt notwendig, wenn H₂-Acceptoren (z.B. ungesättigte Fettsäuren) vorhanden sind, andernfalls kommt die Vermehrung allmählich zum Erliegen, wenn der Speicher an Purin- und Pyrimidinbasen aufgebraucht ist. Der Sauerstoff vermag die Vermehrung jedoch zu beschleunigen, wärend CO₂ eine hemmende Wirkung ausübt."

Auch wenn ich nicht jedes Detail nachvollziehen kann ziehe ich da folgenden praktischen Schluss draus: Wenn die Hefe gesund in eine geeignete Nährlösung (wie z.B. Bierwürze für Bierhefe geeignet ist, denke ich mal) geschüttet wird (und man mit dem Verhältnis von Hefe- zu Würzemenge, Würzekonzentration, Temperatur etc. in einem vernünftigen Bereich bleibt) vermehrt sie sich noch eine Weile langsam weiter. Irgendwann sind dann die Zellbaustoffe verbraucht, die ohne Sauerstoff nicht nachgebildet werden können, und ab da gehts nur noch ohne Vermehrung weiter.

Zitat:

Zitat:

Zitat:

mit 10°P braucht man ca. 250 Liter Luft damit sich die Hefe optimal vermehrt!

250l Luft, deren Sauerstoffanteil zu 100% in Loesung uebergeht?

Exakt! Beim Belüften braucht man natürlich viel mehr, da der grösste Anteil vom Sauerstoff gar nicht gelöst wird sondern gleich wieder nach oben perlt. Sehr gute Resultate kriegt man auch mit konstantem starkem Rühren hin.

Jo, ich habe zwar keine vergleichenden Meßreihen gemacht, aber die Vermehrung schein im magnetgerührten Kolben nicht schlechter zu sein als im Sprudelsteinbelüfteten (mit dem zusätzlichen Vorteil einer sehr viel geringeren Schaumentwicklung übrigens). [Bevor der Einwand kommt: Zusätzlich zum Rührer pumpe ich noch Luft in den Kolben (oberhalb der Würze und ohne Sprudelstein), damit nicht bloß die Kohlensäure untergerührt wird.]

Viele Grüße,

Sven

Hallo Earl

Zitat:

Ich führe meine Hefe bis zu 8 mal. In einem Zeitraum von 8-10 Monaten befindet sich die Hefe daher wohl ausschließlich nur im aneroben Zustand, mal vom Belüfen beim Anstellen abgesehen.

Wie bewahrst Du die Hefe denn auf? Erntest Du jeweils die ganze Hefe und gibst sie nach ca. 1Monat wieder dazu, oder vermehrst Du sie mit einem Starter?
Ich denke, wenn die Vitalität und Hefemenge ausreicht (Du als Methylenblau-Spezialist kannst das ja feststellen) spricht nichts gegen eine ausschliesslich anaerobe Aktivität.

Da sich die Hefe nicht vermehren

Zitat:

kann, müsste sie theoretisch immer älter und in ihrer Aktivität schwächer werden. Sollte ich dem entgegen wirken und zwischen den Führungen die geerntete Hefe besser belüften, oder empfiehlt sich dies ausschließlich nur für den Starter?

Ich bin noch ein Hefeanfänger, belüften bringt glaub ich nur etwas, wenn auch Zucker und Nährstoffe vorhanden sind, damit sich die Hefe vermehren kann, ansonsten ist es soviel ich weiss besser (für die Aufbewahrung) jede Art von Nährstoffen zu "entziehen".

Grüsse Tom

Hi Tom und Sven,

ich ernte 3 1/2 Wochen nach der Hauptgärung die ganze Hefe (donnerstags) und stelle am darauf folgenden Samstag den neuen Sud damit an. Von Do bis Sa liegt die Hefe bei ~5°C in einer Lsg. aus Jungbier/Wasser/Hefenährsalz in Kühlschrank. Die Gärung kommt eigentlich immer super an, die Vitalität der Hefe sinkt jedoch über die 8-10 Monate hinweg (nach 8x Führung) leicht von anfangs 95% auf letztendlich ~80% ab. Dann besorge ich mir neue Hefe.

Ich dachte mir nun, wenn ich die Hefe alle paar Monate mal zwischendurch (also wenn sich die Hefe nicht in der Hauptgärung befindet Do-Sa) aerob mit etwas Würze hochziehe, könnte ich mir vielleicht nach 8 Monaten den Gang zur Brauerei sparen.

Allerdings habe ich aber auch mal gelesen, daß nach 5-8x Führung einer selben Hefe, mit einer angeblich merklichen Degeneration der Reinzuchthefe zu rechnen ist. Wenn die Hefe sich bei anerober Führung jedoch nicht, oder nur wenig vermehrt, kann sie wohl auch nicht degenerieren da ja keine nennenswerte Zellteilung von statten geht? 2-3 mal hochziehen müßte demnach eigentlich drinnen sein.

@ Sven: Danke für den Link, ich hab mich auch gleich mal bei Netbeer.org registriert.

Gruß Earl

Hi Tom,

natürlich ernte ich nur das Hefesediment.

Bin auf das Ergebnis Deines Langzeitexperiment gespannt.

Mein Gefrierexperiment mit Glycerin erbrachte leider nichts Gutes, nach 4 Monaten war die Hefe nur noch weniger als 20% vital.

Gruß Earl

Zitat:

meines Wissens ist es sogar schädlich, Hefe aerob zu führen, wenn sie keine Nährstoffe hat...

Jo - richtig!

Zur Vermehrung benötigt man neben Sauerstoff immer genügend Zucker, da dieser zur Energieproduktion verbraucht wird.

Wenn die Hefe nun tierisch am Zellteilen ist und plötzlich die Energie ausgeht verkümmert sie (logisch).

Im späteren Sud vermehrt sich die Hefe dann so lange weiter, wie sie Sauerstoff zur Verfügung hat.

Geht der Sauerstoff langsam aus, stellt sich die Hefe auf die anaerobe Lebensform um und produziert von nun an Alkohol und CO2 - solange bis der Zucker verbraucht ist oder sie sich selbst durch Alkohol und CO2 Gehalt vergiftet hat.

Andi